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aus: Arolser Zeitung Freitag, 18. September 2009 Fürsten in der Rolle antiker Vorbilder
VON ELMAR SCHULTEN
Das Residenzschloss birgt einen ungeheuren Schatz, der jetzt gehoben wird. Die Antikenausstellung, die heute (18.09.2009) feierlich eröffnet wird, lädt ein breites Publikum ein, unter den Entdeckern zu sein. Bad Arolsen. Ein Jahrzehnt hat es gedauert, bis Mitte der 80er Jahre die rund 35 000 Bände der Fürstlichen Hofbibliothek mithilfe einer kräftigen Finanzspritze der Volkswagenstiftung katalogisiert waren. Nach Sicherung und Katalogisierung steht nun die wissenschaftliche Aufarbeitung desgewaltigen Schatzes im Vordergrund. Dabei treten jetzt auch die damals nur am Rande betrachteten 80 bis 100000 Holz- und Kupferstiche in den Mittelpunkt des Interesses. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat Mittel und Stellen bereitgestellt, die die systematische Digitalisierung der kulturhistorisch wertvollen Bestände ermöglichen sollen.
Einen ersten Vorgeschmack für diese. digitale Erschließung liefert das an die Universität Marburg angeschlossene Projekt "Foto Marburg", eine zentrale Sammelstelle für Kunst in Deutschland. Um einen Eindruck von der umfangreichen Sammlung im Residenzschloss Bad Arolsen zu vermitteln, wurde in einem Pilotprojekt die Erfassung der spannenden Reisebeschreibungen aus dem 18. Jahrhundert begonnen. Ein weiterer Ausschnitt aus dieser Sammlung sind Werke zur Antikenrezeption dieser Zeit. 1m 18. Jahrhundert avancierte die Identifikation mit antiker Kultur und Geisteshaltung zu einem bestimmenden Moment des Lebens in ganz Mitteleuropa. Vor allem die sensationellen Berichte von der Entdeckung untergegangener antiker Städte rund um den Vesuv (Pompeji, Herculaneum) faszinierten die Menschen. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich ein reger Antikentourismus: Auch die Waldecker Fürsten Friedrich, Georg und ihr Bruder . Prinz Christian August wurden bald von diesem „Antiken-Bazillus“ infiziert. Prinz Christian August nahm die Antike sogar vor Ort gemeinsam mit Goethe in Augenschein. Vermutlich waren es der Vater, der Italien und Griechenland bereisende Fürst Carl August Friedrich (1704-63), und die Mutter, die literaturbegeisterte Fürstin Christiane, die ihre Kinder schon früh mit Literatur, Kunst und vor allem der Antike vertraut gemacht hatten.
Die Sammlungen zur Antike, die Prinz Christian während seiner Italienreisen zusammentrug, gehören zu den bedeutendsten des 18. Jahrhunderts. Er sammelte Werke zeitgenössischer Kunst, wie Gemälde von Hackert, Tischbein, Angelica Kaufmann oder Skulpturen Alexander Trippels. Seine Kollektion antiker Bronzestatuetten und Geräte umfasste über 600 Exemplare. Auch im Bereich der antiken Münzen leistete der Prinz Ungewöhnliches, indem er eine der kostbarsten Münz- und Medaillensammlungen zur Antike zusammentrug. Diese Sammlungen befinden sich heute nicht mehr im Besitz des Fürstlichen Hauses Waldeck und Pyrmont. Sie wurden im Laufe der Jahrzehnte verkauft, wechselten mehrfach den Besitzer. Zahlreiche ausgewählte Beispiele werden anlässlich der Ausstellung nach Arolsen zurückkehren. Prominentester Rückkehrer dürfte jene „Arolser Weltchronik" sein, die 1927 an die Königlich-Preußische Bibliothek verkauft wurde, um eine neue Heizung für das Arolser Schloss zu finanzieren. In der erstaunlich gut erhaltenen Handschrift aus dem 14. Jahrhundert werden antike Persönlichkeiten beschrieben und verherrlicht. Die Geschichten aus Troja und über Karl den Großen mögen als Vorbilder für die Prinzenerziehung verwendet worden sein. Die Leihgabe aus Berlin gilt mit ihren erläuternden Bildern als eines der Prunkstücke der Ausstellung.
Gefördert wird das Projekt durch die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Hessische Kulturstiftung, Hessische 'Landesbank und Sparkassen-Versicherung.
© 2009 WLZ/Elmar Schulten |