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Bibliophiler Schatz hinter Schlossmauern
In eine ganz eigene Welt tauchen die Besucher der Brehm-Bibliothek im Residenzschloss Bad Arolsen ein. Neben knapp 45 000 Büchern erwarten sie Bilder, wertvolle Möbel und Uhren. Von ARMIN HASS Bad Arolsen. Führungen durch die Fürstliche Hof-Bibliothek und die benachbarte, jedoch eigenständige Bücherei des Schweizer Stifters Adolf Brehm waren bei den Barock-Festspielen ausgebucht. Wie künftig mit dem Lebenswerk des 86-Jährigen verfahren wird, ist ein auf politischer Ebene umstrittenes Thema. Es geht um 40 Prozent des 45 000 Bücher umfassenden Bestandes, die sich noch im Privatbesitz befinden. Brehm will sie für zwei Millionen Euro der Stiftung überlassen. Das Geld müsste aus dem Vermögen der Waldeckischen Domanialverwaltung bereitgestellt werden. Doch darüber entbrannte eine heiße Diskussion. Dass es diese Debatte gibt, wird nicht verschwiegen bei den Führungen. Sie steht aber nicht im Mittelpunkt. Wertvolle Bücher aus vielen Bereichen Dem Besucher öffnet sich eine eigene Welt der Bücher. Werke aus Naturwissenschaft, Geschichte, Recht, schöngeistige Literatur, Religion und Philosophie sind in wertvollen Regalen in hohen Räumen versammelt, die oberen Reihen erreichbar nur über rollbare Leitern.
Zum Lesen laden verschiedene Tische ein – unter Aufsicht freilich. Und Jacken und Taschen müssen am stilvoll wie aufwendig gestalteten Empfang der Bibliothek abgegeben werden. Schließlich soll die Brehm-Bibliothek nicht die gleichen bösen Erfahrungen machen, die die Hofbibliothek mit einem notorischen Bücherdieb sammeln musste. Die Brehm-Bücherei gilt als regional bedeutende Bibliothek mit Literatur aus der Zeit des 14. bis 20. Jahrhunderts: „Wir wollen deutlich machen, dass es nicht nur das Deutschland gibt, das den Zweiten Weltkrieg begonnen und den Holocaust auf dem Gewissen hat, sondern auch Dichter und Denker hervorbrachte, deren Werke die Entwicklungen in Geisteswissenschaften, Rechts-wesen, Naturkunde und Geschichtsschreibung beeinflussten“, sagt Kerstin Braun. Sie ist wie eine rechte Hand von Brehm, Sekretärin und Vorstandsmitglied der Stiftung. Sie ist zugleich mit der Inventarisierung des riesigen, immer noch zunehmenden Bücherschatzes befasst. „Ein glücklicher Umstand brachte Brehm ins Waldecker Land“, stellt Braun fest. Neben den Themengebieten, aus denen nach Auffassung Brehms ein Universalgelehrter sein Wissen über den deutschsprachigen Raum erwerben könnte, sind es auch bibliophile Aspekte, die den Sammler angetrieben haben: Schöne, möglichst unversehrte Ausgaben sollen es sein. Keine Anstriche oder handschriftlichen Anmerkungen der Benutzer. „Wissenschaftler würden das anders sehen, denn sie möchten auch über den Gebrauch der Werke forschen können.“ Bedeutende Schriften ab dem 14. Jahrhundert Das Buch, das einen besonderen Platz in der Bibliothek finden müsste, gibt es noch nicht: Es ist eine Biographie des Stifters aus Zürich, der sich von der Öffentlichkeit eher fern hält. Der Jurist hat sich in verschiedenen Unternehmungen betätigt, im Tourismus, im Handel mit sogenannten Schweden-Häusern und mit einer fahrenden Schreinerei. So viel wird berichtet. Seine vielfältigen Kontakte haben ihm den Zugang zu den Büchern verschafft, darunter die für Rechtswissenschaftler bedeutende Schriftensammlung „Sachsenspiegel“ aus dem 13. Jahrhundert. Was in der Bücherei vorliegt, ist eine faksimilierte Fassung des Werkes. Weitere Besonderheiten sind der Theuerdank, Erstausgaben von Ernst Jünger oder eine deutschsprachige Bibel von 1483 – also ein Werk, das schon vor Martin Luthers Übersetzungsarbeit übertragen wurde. Die Besonderheit dieses gewichtigen Buches: Die Texte sind unvollständig, weil die farbigen Lettern vermutlich aufgrund von Geldmangel nicht mehr eingedruckt worden sind. Die Bücher hat Brehm nach einem eigenen System erworben, und er hat sie in die 1990 gegründete Stiftung in Bad Arolsen eingebracht. Dabei hat der alleinstehende Schweizer offenbar durch einen Vertrauten in seinem Heimatland sichergestellt, dass über seinen Tod hinaus die Einhaltung des Stiftungszwecks überwacht wird. “Weimar-Zimmer“ im Barockschloss
Die Werke sind in den verschiedenen Räumen nach Themen geordnet: So werden im „Weimar-Zimmer“ Werke von und über Goethe, Schiller, Herder und Wieland zusammengeführt. In einem weiteren Raum kommen Freunde von Enzyklopädien auf ihre Kosten. Historisches Kartenmaterial wird, eingerahmt, unmittelbar nach dem Eingang im Flur zur ersten Etage an den Wänden präsentiert. Wertvolle Uhren sind Dauerleihgaben der Sparkassenkulturstiftung Waldeck-Frankenberg, für Möbel stellten die Domanialverwaltung und der heimische Energieversorger EWF Geld bereit. Mithilfe des EWF-Stroms wird die Bücherei übrigens wegen der lichtempfindlichen Drucke nur sehr sparsam beleuchtet, am meisten Elektrizität verbrauchen die unablässig laufenden Entfeuchtungsgeräte. 60 Prozent der Bücherei sind inventarisiert, das entspricht dem Anteil der Stiftung, die übrigen 40 Prozent sind noch privat. Der Bestand vergrößert sich weiterhin: „Nach wie vor treffen Schreiben von Antiquaren ein, die sich auf Kaufanfragen aus den 90er-Jahren beziehen, als der Stifter in Arolsen ansässig wurde“, berichtet Kerstin Braun. Einen Katalog gibt es noch nicht. Große Pläne für Literaturzentrum Auch die von Beginn an von dem Stifter propagierten Pläne für ein geisteswissenschaftliches Zentrum sind noch nicht Realität geworden. Geplant war einst eine Kooperation unter anderem mit der Fürstlichen Hofbibliothek und der Bücherei der Universität Kassel. Doch dazu kam es nicht. Dabei böten sich nach Auffassung von Kerstin Braun Seminare über Literatur an. Auch ein mittelalterliches Kochbuch dürfte Stoff für Zusammenkünfte in der Brehm-Bibliothek liefern. Besuche der Bücherei nach Vereinbarung So bleibt es bei Besuchen, die individuell vereinbart werden können, und gelegentlicher Lektüre in einer versunken scheinenden Welt. Kerstin Braun ist zur Terminabsprache unter der Telefonnummer 05691/ 6238990 erreichbar. © Arolser Zeitung Waldeckische Landeszeitung 25. Juni 2014 © 2014 Waldecker-Münzen.de |