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4 200 000 000 000 Mark für einen US-Dollar
Von DR. KARL SCHILLING 21 Millionen Mark. So viel musste es nach der Kalkulation der Verlegerfamilie Bing schon kosten, das Abo für die Waldeckische Landeszeitung. Aber nur für die ersten beiden Wochen des Oktobers 1923, wohlgemerkt. Doch die immer rasantere Geldentwertung in jenen dramatischen Wochen vor 90 Jahren warf auch diese heute abenteuerlich erscheinenden Berechnungen binnen Tagen wieder über den Haufen. Schon nach einer Woche war der Verlag gezwungen, eine Nacherhebung zu kassieren: von 60 Millionen Mark. Ernst Kahlhöfer aus Mühlhausen bewahrt die entsprechende Benachrichtigung bis heute auf. Sein Schwiegervater Christian Schüttler hatte sie per Nachname aus „Corbach“ erhalten. Die grüne Postkarte ist ein Dokument aus der Zeit, als die Deutschen Milliardäre waren – aber sich nichts mehr für ihr Geld kaufen konnten. Diese Erfahrung prägte ein Land: Auch Generationen später steckt diese Ära den Menschen noch in den Knochen, die Inflationsängste sind bis heute da. Kalte Enteignung Die Geldentwertung ist seit Jahrhunderten ein beliebtes Mittel, um eine hohe Staatsverschuldung zu finanzieren. Schon nach den vier Jahren des Ersten Weltkriegs hatte die Mark die Hälfte ihres Wertes verloren. Nach dem umstrittenen Friedensschluss von Versailles ka-men zu den Schulden noch die Reparationen an die Siegermächte. Als die Deutschen mit ihren Zahlungen in Verzug gerieten, besetzten Franzosen und Belgier 1923 das Ruhrgebiet. Die Reichsregierung rief die Bevölkerung zum passiven Widerstand auf – der „Ruhrkampf“ entbrannte. Die Regierung unterstützte die Streikenden mit Ausgleichszahlungen – die sie nur finanzieren konnte, indem sie die Duckerpressen anwerfen ließ: Sie weitete die Geldmenge enorm aus. Folge: Der Wertverlust der Mark stieg noch rasanter als nach 1918, aus der Inflation wurde eine Hyperinflation, wie sie kaum eine Industrienation je erleiden musste. Nur drei Werte zum Vergleich: Im Juli 1914 kostete ein US-Dollar 4,20 Mark. Im Januar 1920 waren für einen Dollar schon 42 Mark zu zahlen. 1923 ging es rasant bergab, binnen Tagen und zum Schluss fast stündlich sank der Wert der Mark: Am 15. November entsprach ein US-Dollar 4,2 Billionen Mark. So stellte die galoppierende Inflation in der zweiten Hälfte des Jahres 1923 auch den Bing-Verlag vor bedrohliche Herausforderungen, der Abo-Preis der Zeitung kam mit den immer schnelleren Geldentwertungen kaum mehr nach. Indessen kletterte der Papierpreis in astro-nomische Höhen. Die Bezieher zahlten bislang zweimal im Monat fürs Abonnement. Doch das reichte bald nicht mehr aus: Am 1. September kündigte die Geschäftsleitung in der WLZ eine Nachzahlung von 100 000 Reichsmark für die zweite Augusthälfte an. Nur zwei Tage später war der Preis für die erste Septemberhälfte auf eine Million Mark gestiegen, am 17. September kosteten zwei Wochen schon vier Millionen – „vorauszahlbar“, das Geld verlor ja weiter an Wert. Am 1. Oktober lag der Preis für die erste Monatshälfte schon bei 21 Millionen.
Und auch die reichten nicht: Am 9. Oktober erhob der Verlag eine Nachzahlung von 60 Millionen Mark, schnell stieg der Preis auf 670 Millionen. Am 29. Oktober kündigte der Verlag die Umstellung auf eine wöchentliche Abrechnung an, in der ersten November-Woche sollte der Bezug sieben Milliarden Mark kosten, in der dritten Woche waren es schon 400 Milliarden, zahlbar im Voraus. Auch der Einzelpreis kletterte rapide in die Höhe: Am 1. November kostete eine WLZ anderthalb Milliarden Mark, am 6.November bereits sechs Milliarden, am 13. November 20 Milliarden, am 20. November 70 Milliarden und am 28. November gar 130 Milliarden Mark. Ab November bot der Verlag daher Abonnenten per Inserat an: „Den Landbeziehern geben wir Gelegenheit, den Bezugspreis in Naturalien, z.B. Kartoffeln, Roggen, Weizen, Gerste, Erbsen, Butter, Eier, zu liefern.“ Zahlung in Naturalien Erst das Ende des „Ruhrkampfes“ ermöglichte einen Währungsschnitt, der die Krise beenden sollte. Schon am 16. November hatte die WLZ getitelt: „Die Ausgabe der Rentenmark“ – mit der neuen Währungseinheit beseitigte die Reichsregierung das Finanzchaos. Es dauerte ein paar Wochen, bis das neue System griff. Zum 1. Dezember stellte auch die WLZ um: Eine Zeitung kostete 15 Goldpfennige, umgerechnet 150 Milliarden Reichsmark. Für den Monat belief sich der Bezugspreis auf 3,50 Goldmark. Doch Millionen Sparer hatten da schon ihr gesamtes Geldvermögen verloren – und das Vertrauen in die Regierung und in die neue Demokratie. © Mein Waldeck Waldeckische Landeszeitung 24. Dezember 2013 © 2014 Waldecker-Münzen.de |